Politik und Stadt

Wie holt man lokale Akteure ins Boot?

Unsere Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit der Stadt Weimar sind durchaus positiv. Wir haben aktive Unterstützung erlebt, sei es durch inhaltliche Vorabsprachen, die unsere Anträge zielgenauer machten, sei es durch Entgegenkommen, wenn wir mal wieder unter Zeitdruck standen. Hilfreich waren dabei die wohlwollende Neugier bei den Verantwortlichen was unser Projekt betrifft, das auch für die Stadt Neuland war.

Wichtig für die Unterstützung seitens der Stadt war, im Gespräch zu sein. Hilfreich waren Ansatzpunkte, die den verantwortlichen Politikern deutlich machten, worin der Gewinn der Stadt liegen kann. Etwa im Problembewusstsein für bezahlbaren Wohnraum von Familien. Wir haben immer wieder deutlich gemacht, dass die Stadt sich durchaus mit einem erfolgreichen Wohnprojekt „schmücken“ kann. Es war der für uns richtige Weg, unsere Erfolge und das Medien-Echo darüber zu teilen. So haben wir Politikerinnen und Politiker zu wichtigen Anlässen wie unserem Richtfest eingeladen und ihnen Gelegenheit gegeben, den eigenen Anteil am Gelingen zu veröffentlichen. Daraus erwächst mit der Zeit auch eine positive Grundstimmung in der Öffentlichkeit alternativen Wohnprojekten gegenüber.

15.8.18 – Ro70-Aufsichtsrat Stephan Hempel in einer Podiumsdiskussion zur Zunḱunft der Stadt mit Weimars Oberbürgermeister Peter Kleine

Aber Hand aufs Herz: In den 2 Monaten Sprint von der Ausschreibung der Liegenschaft bis zur Abgabe des Konzepts war es nicht einfach, die Akteur*innen der Kommunalpolitik, die auch im Vergabegremium saßen, davon zu überzeugen, dass 10 Weimarer Bürgerinnen und Bürger ein damals 15 Mio. teures Projekt anstoßen können. Es brauchte intensive Gespräche mit allen Stadtratsfraktionen und dem Oberbürgermeister, um sie für unseren Plan zu gewinnen. Bis zum Ende war es eine Zitterpartie, ob die Entscheider*innen für uns votierten oder einem klassischen Bauträger das Feld überlassen würden. Es war hilfreich, die politischen Akteur*innen als Partner*innen zu begreifen, ihre Ziele, Vorstellungen und Befürchtungen aufzugreifen, zu verstehen und darauf mit dem eigenen Projekt Antworten zu finden.


Was würden wir uns von Politik und Stadt wünschen?

In aller erster Linie Mut und Vertrauen in bürgerschaftliches Engagement, nicht nur in Sonntagsreden sondern in der praktischen Arbeit in Politik und Verwaltung.

Eine Unterstützung mit Zuschüssen, Bürgschaften, zinsgünstigen Darlehen und Know-how wäre auf Landesebene hilfreich für bürgerschaftliches Engagement im Wohnbereich.

Grundsätzlich sollten städtische Immobilien im Konzeptvergabeverfahren mittels Anhandgabe vergeben werden. Die Verfahren sollten so einfach wie möglich gehalten sein und rendite-orientierte Investoren grundsätzlich ausschließen. Bei der Konzeptvergabe ist Konsequenz bei der Prüfung der Umsetzung des Konzepts angesagt. Uns in der Ro70 hat diese Konsequenz eine zweite Chance beschert, weil der vorherige Bewerber sein Konzept nicht eingehalten hatte.

Bauflächen sollten für bürgerschaftliches Engagement reserviert und in den Bebauungsplänen freigehalten werden. Intelligente Modelle wie eine den aktuellen Zinsbedingungen angepasste Erbpacht könnten Grund und Boden im Eigentum und damit in der Selbstbestimmung der Kommune halten und gleichzeitig alternativen Wohnprojekten Chancen eröffnen. Aktive Liegenschaftspolitik: Einige Kommunen, wie Tübingen, haben revolvierende Fonds initiiert, mit deren Hilfe Grundstücke aufgekauft, entwickelt und dann ausschließlich im Konzeptverfahren verkauft oder in Erbpacht vergeben werden.


–> weiterlesen: Konzeptvergabe und Anhandgabeverfahren